13 F 67/92
BESCHLUSS vom 21.8.92
In Sachen
Thomas Alteck, Strasse, Plz - Ort
Antragsteller
Prozeßbevollm&chtigte/r: Rechtsanwälte Dr. Müller u. Kollegen, Esslinger Str.80, 7012
Fellbach
gegen
Ute Alteck, Strasse, Plz - Ort
Antragsgegnerin
Prozeßbevollm&chtigte/r: Rechtsanwälte Dr.
Kellermann-Körber, Böblinger Str.
2, 7038 Holzgerlingen
Weitere Verfahrensbeteiligte: Kreisjugendamt Böblingen zum Az: 51/25
wegen Regelung der elterlichen Sorge für die Dauer des Getrenntlebens
h i e r : Vorläufige Anordnungen
wird im Wege der vorläufigen Anordnung auf die mündliche Verhandlung vom 20.8.1992
bestimmt:
1.Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Töchter der Parteien
- Anna, geboren am 01.11.1984,
- Maria, geboren am 14.03.1986 und
- Yvonne, geboren am 12.04.1988
steht bis zu einer anderslautenden Entscheidung der Antragsgegnerin (Mutter) zu.
2. Der weitergehende Antrag der Antragsgegnerin auf Übertragung der elterlichen Sorge im Wege der vorläufigen Anordnung wird
zurückgewiesen.
3. Der Antrag des Antragstellers auf Übertragung der elterlichen Sorge im Wege der vorläufigen Anordnung wird
zurückgewiesen.
4.Die Kosten folgen der Hauptsache.
Gründe:
Beim Amtsgericht -Familiengericht- Böblingen ist seit Frühjahr dieses Jahres zwischen den Parteien ein Verfahren wegen Regelung der elterlichen Sorge für die Dauer des Getrenntlebens anhängig, die von beiden Elternteilen jeweils für sich allein angestrebt wird.
Eine endgültige Entscheidung über das Sorgerecht ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich. Die Parteien halten sich gegenseitig für erziehungsungeeignet. Die Mutter ist
überzeugt davon und wirft dem Vater vor, erhabe die älteste Tochter Anna
missbraucht. Der Vater ist aufgrund einer Vielzahl von aus seiner Sicht vorliegenden
Verdachtsmomenten und Anhaltspunkten überzeugt, die Mutter sei psychisch krank.
Der Verdacht der Mutter ist derzeit noch ungeklärt. Dem Gericht liegen keine nachgewiesenen und
nachvollziehbaren Tatsachen vor, aus welchem sich zum jetzigen Zeitpunkt ein eventueller Mir3brauch ableiten
ließe. Die Therapie von Anna bei der Gruppe Kobra verlief bislang ergebnislos, jedenfalls wurden dem Gericht keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit
des Verdachts der Mutter unterbreitet. Die
Therapieeinrichtung Kobra sieht sich als "Anwalt des Kindes". Sie gibt Therapieergebnisse nur im Einverständnis mit dem Kind weiter.
Andererseits liegen dem Gericht auch keine nachgewiesenen und nachvollziehbaren Umstände vor, die auf eine psychische Erkrankung der Antragsgegnerin
schließen lassen. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige Prof.
Dr. Lempp hat im Rahmen seines Gutachtens zum Sorgerecht ausgeführt:
"Es ergeben sich keine Hinweise, dass für eine
Sorgerechtsentscheidung eine psychische Krankheit, psychische Störung oder Erziehungsunfähigkeit beachtet werden müßte". (Bl.36)
(Im Hinblick auf die Antragsgegnerin) Es finden sich keinerlei Hinweise auf das Vorliegen einer Psychose oder Wahnkrankheit, auch beachtenswerte neurotische Komponenten sind nicht zu erkennen.
Auch die Vielzahl der vom Antragsteller vorgetragenen, für ihn eindeutigen Indizien auf eine psychische Erkrankung seiner Ehefrau lassen ohne sachverständige Klärung keine andere Beurteilung zu. Der Referatsrichter
maßt sich keinen psychiatrischen Sachverstand an. Zu beachten ist, dass bereits eine sachverständige Stellungnahme vorliegt, auch wenn sie nur im Rahmen eines Sorgerechtsgutachtens abgegeben wurde.
Zwischen den Parteien besteht auf jeden Fall insoweit noch Einigkeit, dass sich beide einer psychiatrischen Untersuchung durch Prof. Dr.Teschner unterziehen wollen. Insoweit liegt
ein Beweisbeschluß des Gerichtes vor. Der Sachverständige, Prof. Dr.Teschner hat die Parteien einbestellt.
Wie bereits in der mündlichen Verhandlung vom 20.8.1992 dargelegt, ist das Sachverständigengutachten von Prof.Dr.Lempp die ma~gebliche Entscheidungsgrundlage für das Gericht im Hinblick auf die beiderseits beantragten vorläufigen Anordnungen.
Die rechtlichen Voraussetzungen für den- Erla~ einer vorläufigen Anordnung sind gegeben. Es besteht ein dringendes Bedürfnis, zumindest die Frage des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für die drei ehelichen Kinder zu regeln. Die Parteien selbst sind dazu derzeit nicht in der Lage. •
Eine gerichtliche Regelung ist insbesondere unter Berücksichtigung der Ereignisse seit dem 1.7.1992 notwendig.
An diesem Tag hat der Antragsteller die Kinder gegen den Willen der Antragsgegnerin an sich genommen und für cirka einen Monat nach Holland verbracht, an jenen Ort, an welchem die Parteien in den vergangenen Jahren regelmä~3ig ihren Urlaub verbrachten. Mit Beschlu~ vom 2.7.1992 hat das Amtsge- richt der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen.
Bei langwierigen Verhandlungen des Antragstellers mit dem
Jugendamt erklärte sich dieser bereit, die Kinder nach
Deutschland in die Obhut des Jugendamntes zurückzubringen.
Die Parteien erklärten sich mit einer vorläufigen Über-
tragung des Aufenthaltsbestiitmu,ingsrechtes auf das Kreis-jugendamt einverstanden. Diese erfolgte mit Beschlu~3 vom
31.7.1992.
Absprachegemä~3 brachte das Jugendamt die Kinder in einem
Heim in Ellwangen unter, um so für diese eine Beruhigung der
Situation herbeizuführen.
Bereits am 4.8.1992 teilte das • Kinder- und Jugenddor± Marienpf lege, Ellwangen dem Jugendamt mit, da~3 die Kinder die Heimaunterbringung nicht als Entlastung, sondern als weitere Belastung erleben würden und dringend nach der Mutter verlangten.
Nach Absprache mit dem Referatsrichter übt das Kreisjugendamt das ihm übertragene Aufenthaltsbestimmungsrecht dahingehend aus, da~ es die Kinder in die Obhut der Mutter zurückgab.
Daraufhin hat jede der Parteien beantragt, ihr das Sorge-recht im Wege der vorläufigen Anordnung zu übertragen.
Dem Gutachten Lempp folgend, hält es das Gericht dßm Wohle der Kinder am besten entsprechend, sie in der Obhut der Mutter zu belassen und dieser das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Die Bindungen der Kinder zur Mutter, die für sie während des Zusammenlebens der Familie die Hauptbezugsperson war, sind stärker. Die stärkste Beziehung zum Vater hat die 6-jährige Tochter Maria. Auch sie will -wie der Sachverständige ausgeführt hat- bei der Mutter bleiben und sich nicht von ihren Geschwistern trennen.
Die enge Bindung der Kinder zur Mutter wird auch durch die Ausführungen von Frau Glasbrenner, Marienpf lege Ellwangen, bestätigt.
Diese Entscheidung stellt die Erziehungs fähigkeit des Vaters keineswegs in Frage, was auch vom Sachverständigen Lempp bestätigt wurde. Der Antragsteller inul3 sich jedoch vergegenwärtigen, da~ Verhaltensweisen, wie diejenigen, die am
1.7.1972, dem Kindeswohl in jedem Fall abträglich s±nd und daI3 Wiederholungen seitens der Gerichte bei der Entscheidung über die elterliche Sorge nicht aut3er acht gelassen werden können.
Zur Durchsetzung seiner Sorgerechtsvorstellungen- und ziele steht dem Antragsteller der Rechtsweg mit mehreren Instanzen offen, an welchen er sich halten möge.
Zur abschliet3enden Beurteilung der Sorgerechtsfrage ist in jedem Fall-noch die gutachterliche Äu~erung von Prof. Dr.Teschner notwendig. An die Parteien wird, wie auch schon in der mündlichen Verhandlung, dringend appelliert, von Handlungen Abstand zu nehmen, die dem Wohle der Kinder abträglich sind. Nach den Vorfällen ~n den letzten Wochen benötigen die Kinder dringend Ruhe.
Eine Übertragung auch der elterlichen Sorge auf die Antragsgegnerin (Mutter) h~k das Gericht derzeit nicht für notwendig. Dazu bedarf es der noch ausstehenden Erkenntnisse aus den Gutachten. Es erscheint nicht gerechtfertigt, den Antragsteller in diesem Verfahrensstadiura von der elterlichen Sorge auszuschliel3en. •
Das Gericht hat den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 20.8.1992 auch dringend nahegelegt, den Kontakt des Vaters mit den Kindern nicht abbrechen zu lassen. Da~3 dieser derzeit nur im Rahmen eines sogenannten betreuten Besuchs- rechts (Kinderschutzbund Böblingen) durchgeführt werden kann, ergibt sich aus den Vorfällen Anfang Juli 1992. Die Aufrechterhaltung der Vater-Kind-Beziehungen ist jedoch weiterhin dringend geboten. Dies hat auch der Sachverständige, Prof. Dr. Lernpp ausgeführt.
Ansonsten besteht nach Auffassung des Gerichtes die Gefahr, daE3 die Kinder durch die Trennungsproblematik der Eltern noch stärker in Mitleidenschaft gezogen werden und bei sich noch eine stärkere Verantwortlichkeit hierfür suchen.
Das Gericht hat auch empfohlen, Annas Therapie bei der Gruppe Kobra nicht weiter fortzuführen. Grund für diese Empfehlung sind nicht Vorbehalte des Gerichtes gegenüber den Arbeitsmethoden dieser Einrichtung. Eine Fortführung der Therapie erscheint nach Auffassung des Gerichtes deshalb geboten, da sie von einem Sorgeberechtigten, nämlich dem Vater, absolut abgelehnt wird. Er hat -aus seiner Sicht nachvollziehbar- keinerlei Vertrauen zu deren Arbeitsmethodik und sieht in ihr eine erhebliche Gefährdung des Kindes-
wohls. Das G~richt ist der Auffassung, da~ insoweit auf die Belange des Vaters Rücksicht genoirimen werden sollte. Auch im Hinblick auf den Verdacht des sexuellen Mil3brauchs sind anderweitige Therapie- und Erkenntnismöglichkeitet~ vorhanden. Darauf hat der Sachverst&ndige, Prof. Dr.Lempp.hingewiesen.
Darüber hinaus wird darauf hingewiesen,. da~ das der Mutter übertragene Aufenthaltsbestimmungsrecht die einseitige Durchführung eines Schulwechsels der Kinder nicht abdeckt.
Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen ist der Antrag des Vaters auf - Erlar3
einer vorläufigen Anordnung zurückzu- weisen.
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