für meine Kinder  
   
     
   
   
 
 
 
 
         
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Geschäftsnummer
18 UF 108/00
42 F 217/99

Oberlandesgericht Karlsruhe
- Zivilsenate in Freiburg -
Beschluss vom 8. August 2001

 

 

In der Familiensache

Thomas Alteck, Rudolf-Diesel-Str. 40, 56220 Kaltenengers
- Antragsteller/Beschwerdegegner -
Prozessbevollmächtigte: RAe Dr. Müller & Kollegen,

gegen

Ute Alteck, Hufschmiedstr.. 18 a, 79427 Sonstwo
- Antragsgegnerin/Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte: RAe Dr. Krieger & Kollegen, Uhlandstr. 9, 79102 Freiburg


Verfahrenspfleger: RAe Oesterle & Kollegen, Salzstr. 35, 79098 Freiburg
Beteiligte: Landratsamt Breisgaus-Hochschwarzwald, Kreisjugendamt, 79081 Freiburg, 213.0



wegen Übertragung der elterlichen Sorge
hat der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - beschlossen:

 

1.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 25.04.2000 (42 F 217/99) wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:

Für die Umgangszeiträume gemäß Beschluss des Senats vom 08.08.2001 (18 UF 242/99) wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder Maria, geb. am 14.03.1986, und Yvonne, geb. am 12.04.1988, auf einen Ergänzungspfleger übertragen.

Die Auswahl des Ergänzungspflegers bleibt dem Vormundschaftsgericht überlassen.

2.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebühren-, nicht aber auslagenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,- DM festgesetzt.

 

 

Gründe:

I.

Die im April 1984 geschlossene Ehe der Parteien wurde durch Urteil des Amtsgerichts Böblingen vom 24.03. 1993 geschieden, das Sorgerecht für die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder Anna, geb. am 01.11.1984, Maria, geb. am 14.03.1986, und Yvonne, geb. am 12.04.1988, auf die Mutter übertragen und dem Vater ein (unbegleitetes) Umgangsrecht mit den Kindern eingeräumt (AG Böblingen, 13 F 281/93). Sämtliche Kinder leben im Haushalt der Mutter. Die Eltern der Kinder streiten schon seit vielen Jahren vornehmlich um den Umgang des Vaters mit seinen Töchtern, der seit längerem nicht stattfindet. Zuletzt hat das Familiengericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 12.03.1996 für Maria und Yvonne ein - zunächst begleitetes - Umgangsrecht festgelegt (42 F 106/94), das anfangs durchgeführt worden ist, letztlich aber an einer Kostenfrage gescheitert ist. Mit Beschluss vom heutigen Tag hat der Senat über die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Familiengerichts vom 04.11.1999 (42 F 18/99) entschieden und das Umgangsrecht des Vaters mit Anna ausgeschlossen und für Maria und Yvonne eine Umgangsregelung getroffen (18 UF 242/99).

Mit Beschluss vom 25.04.2000 hat das Familiengericht den Antrags des Vaters, ihm die Alleinsorge für die 3 Kinder zu übertragen, zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Vaters, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag auf Übertragung der Alleinsorge weiter verfolgt.

Die Mutter tritt der Beschwerde entgegen.

Der Senat hat zur Frage der elterlichen Sorge ein psychologisches Sachverständigengutachten eingeholt. Auf das Gutachten der Dipl-Psychologin Rombach vom 16.02.2001 wird Bezug genommen (18 UF 242/99).

Schließlich hat der Senat im vorliegenden Verfahren den Kindern einen Verfahrenspfleger bestellt und die Kinder sowie die Eltern persönlich angehört

 

II.

Die Beschwerde des Kindesvaters ist nur teilweise begründet.

Nach § 1696 Abs. 1 BGB kann eine Sorgerechtsregelung geändert werden, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist.

Zweck des Abänderungsverfahrens nach § 1696 BGB ist die Anpassung einer ergangenen Entscheidung an inzwischen eingetretene nachhaltige und gewichtige Änderungen tatsächlicher oder rechtlicher Art unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls und nicht die nochmalige Überprüfung der früheren Sorgerechtsentscheid ung. Nach eingehender Würdigüng des vorliegenden Sachverhalts, des Sachverständigengutachtens, das die Sachverständige Rombach mündlich erläutert hat, und des Ergebnisses der persönlichen Anhörung der Eltern und der Kinder kann der Senat keine triftigen Gründe feststellen, die eine Abänderung der Sorgerechtentscheidung des Amtsgerichts (Familiengericht) Böblingen vom 24.03.1993 im Interesse des Wohls der 3 Kinder zwingend geboten erscheinen lassen.

Alle Kinder stehen nicht nur einem Umgangskontakt mit ihrem Vater, sondern erst recht einem Aufenthaltswechsel zu ihrem Vater ablehnend gegenüber. Nach den eigenen Feststellungen des Senats und den Feststellungen der Sachverständigen ist davon auszugehen, dass die Kindesmutter die Kinder in dem festen Glauben erzogen hat, dass sie im frühen Kindesalter von ihrem Vater sexuell missbraucht worden sind. Hierfür haben sich allerdings über all die Jahre niemals objektiv feststellbare Verdachtsmomente ergeben; auch die Sachverständige Rombach schließt einen sexuellen Missbrauch der Kinder aus. Aus ihrer Überzeugung von einem sexuellen Missbrauch leitet sich seit vielen Jahren ein großes Misstrauen gegenüber dem Vater und eine weitgehend ablehnende Haltung der Mutter gegenüber Besuchskontakten zwischen den Kindern und dem Kindesvater ab. Die Mutter ist allenfalls bereit gewesen, einen begleiteten Umgang zuzulassen. Auf diesem Hintergrund ist es immer wieder zu streitigen gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen der Kindesmutter und dem Kindesvater über das Umgangsrecht mit der Folge gekommen, dass eine kontinuierliche Beziehung zwischen den Kindern und ihrem Vater seit der Trennung und Scheidung der Eltern nicht hat aufrecht erhalten werden können, die Kinder im häuslichen Bereich einseitig von der Mutter mit dem sexuellen Missbrauch durch den Vater konfrontiert werden und sich mit der ablehnenden Haltung der Mutter gegenüber Umgangskontakten identifizieren. Die Mutter ist offenbar nicht in der Lage, überhaupt in Erwägung zu ziehen, dass der Vater zu Unrecht verdächtigt wird und den Kindern zu vermitteln, dass eine Gefährdung durch den Vater auszuschließen ist. Sie ist auch - nach eigener Bekundung - jetzt noch nicht fähig, die Kinder zu unbegleiteten Umgangskontakten zu motivieren und zu unterstützen. Mit dem von der Kindesmutter einseitig gezeichneten negativen Bild des Kindesvaters sind die Kinder aufgewachsen und haben sich, weil es das Bestreben der Mutter gewesen ist, Umgangskontakte mit dem Vater weitgehend zu unterbinden, von ihrem Vater in starkem Maße entfremdet.

Das Verhalten der Mutter - objektiv geprägt durch negative Beeinflussung der Kinder gegenüber dem Vater insbesondere mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs und einer damit über viele Jahre einhergehenden Verweigerung des Umgangskontaktes zwischen den Kindern und ihrem Vater - begründet schwerwiegende Zweifel an ihrer Erziehungseignung. Zwar sind - außerhalb der Umgangsproblematik und der speziellen Thematik des sexuellen Missbrauchs - in anderen Bereichen der Betreuung, Erziehung und Förderung der Kinder durch die Mutter keine gravierenden Defizite oder Mängel erkennbar geworden. Die Kinder erscheinen in ihrer allgemeinen Entwicklung, ihren schulischen Erfolgen und ihren sozialen Kontakten in einer positiven altersgemäßen Entwicklung. Für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder besteht jedoch die tiefgreifende, ihr weiteres Leben unter Umständen schwer belastende Gefahr, dass sie ohne persönliche Beziehung zu ihrem Vater und mit einem negativ gefärbten Bild ihres Vaters aufwachsen, was eine schwere Belastung für die Kinder darstellt. Bei einem derartig gravierenden Erziehungsmangel besteht Anlass, einen Entzug des Personensorgerechts in Erwägung zu ziehen. Die Sachverständige Rombach hat in ihrem Gutachten einen solchen Entzug und eine


Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater empfohlen, anlässlich der mündlichen Erläuterung ihres Gutachtens ihre schriftliche Empfehlung aber dahingehend relativiert, dass sowohl eine Drittunterbringung der Kinder als auch eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater, den die Kinder ablehnen, problematisch erscheint. Der Senat sieht sich rechtlich gehindert, im Rahmen einer Abänderungsentscheidung nach § 1696 BGB der Kindesmutter die elterliche Sorge bzw. das Personensorgerecht zu entziehen und die elterliche Sorge für die Kinder auf den Vater oder einen Vormund bzw. das Personensorgerecht auf einen Pfleger zu übertragen. Bei jedem Eingriff in das elterliche Sorgerecht ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Prinzip des mildesten Mittels zu wahren (BGH, NJW-RR 1986, 1264, 1265 ; Staudinger/Coester, BGB, 13. Bearb. 2000, § 1696 Rdnr 48). Im Vordergund der Betrachtung steht die - wie die Vergangenheit gezeigt hat - Gefahr, dass die Kinder Maria und Yvonne - das Umgangsrecht mit Anna hat der Senat mit Beschluss vom heutigen Tag ausgeschlossen - ohne den für ihre weitere Persönlichkeitsentwicklung wichtigen Umgangskontakt mit ihrem Vater aufgrund einer von ihrer Mutter hervorgerufenen Beeinflussung aufwachsen. Dieser Gefahr kann durch Entzug des gesamten Sorgerechts bzw. des Personensorgerechts nur dann im Wege einer Abänderungsentscheidung nach § 1696 BGB begegnet werden, wenn weniger einschneidende Maßnahmen, die bei einem Verbleib der Kinder bei der sorgeberechtigten Mutter die Umgangsproblematik lösen könnten, nicht gegeben sind oder versagen (BGH, a.a.O.; Staudinger/Coester, a.a.O., Rdnr. 71; Oelkers, Sorge- und Umgangsrecht, § 3 Rdnr. 28). Die bloße Androhung und Verhängung von Zwangsmitteln (~ 33 FGG) zur Durchsetzung der Umgangsregelung gemäß Senatsbeschluss vom heutigen Tag hält der Senat angesichts der jahrelangen Streitigkeiten um das Umgangsrecht und der Einstellung der Mutter, die Kinder nicht zu Umgangskontakten motivieren und positiv unterstützen zu können, für ungeeignete mildere Mittel. 

Der Senat richtet jedoch eine sog. Umgangspflegschaft ein, das heißt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder Maria und Yvonne wird für die jeweiligen Umgangszeiträume gemäß Beschluss des Senats vom heutigen Tag (18 UF 242/99) auf einen Ergänzungspfleger (~ 1909 BGB) übertragen, während die elterliche Sorge im übrigen bei der Mutter verbleibt. Dem Ergänzungspf leger kommt die Aufgabe zu, das vom Senat festgelegte Umgangsrecht durchzusetzen und - durch behutsames und positives Einwirken auf die Kinder - dafür Sorge zu tragen, dass zwischen dem Vater und den Kindern möglichst spannungsfreie und kontinuierliche Begegnungen stattfinden können. Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Ergänzungspfleger im Rahmen einer sog. Umgangspflegschaft ist zwar nur dann eine geeignete mildere Maßnahme, wenn zu erwarten ist, dass sie zur Durchsetzung des Umgangsrechts führen wird oder wenigstens beitragen könnte (BGH, a.a.O.). Davon ist hier auszugehen. Die Mutter hat anlässlich ihrer persönlichen Anhörung erklärt, dass sie trotz ihrer vorhandenen Ängste einen persönlichen Umgangskontakt der Kinder mit ihrem Vater tolerieren und nicht verhindern würde. Unter diesen Umständen ist die Erwartung gerechtfertigt, dass die Einschaltung eines Ergänzungspflegers zur Durchsetzung des Umgangsrechts des Vaters zumindest beitragen kann. Auf diese Weise kann in stärkerem Maße sichergestellt werden, dass die persönlichen Beziehungen zwischen den Kindern und ihrem Vater wieder hergestellt und vertieft werden können und der Vater Gelegenheit erhält, das von ihm durch die Mutter vorgezeichnete negative Bild eines "Kindesmissbrauchers" zurecht zu rücken. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass der Ergänzungspfleger durch die Vorbereitung und Hinführung der Kinder auf die Begegnungen mit ihrem Vater ebenso wie durch geeignete Kommunikation mit der Mutter die schädlichen Auswirkungen von deren bisheriger Fehlhaltung relativieren kann, so dass die erheblichen Einschränkungen in der Erziehungsfähigkeit der Mutter bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden, die selbst bisher nicht in der Lage war, dem durchgängig negativ besetzten Vaterbild ernsthaft entgegen zu wirken, wodurch die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder ersichtlich schwer belastet ist.

Sollte sich allerdings herausstellen, dass sich die Umgangspflegschaft wegen fortdauernder negativer Beeinflussung der Kinder durch ihre Mutter im Hinblick auf die Durchsetzung des Umgangsrechts als wenig wirksam erweisen, ist -gegebenenfalls nach Festsetzung eines Zwangsgeldes (OLG Hamm, FamRZ 1992, 466) - ein Entzug des Personensorgerechts der Mutter bzw. eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater ernsthaft in Betracht zu ziehen, wenn dies im wohlverstandenen Interesse der Kinder hingenommen werden kann.

Die Auswahl des Ergänzungspflegers (vgl. § 1697 a BGB) hat der Senat dem zuständigen Vormundschaftsgericht überlassen. Es wird dabei auch zu erwägen sein, ob - nach Abschluss des vorliegenden Verfahrens - der bisherige Verfahrenspfleger der Kinder, welcher einerseits deren Vertrauen genießt und andererseits schon bisher mit ihnen die Überwindung des negativen, geradezu vergifteten Vaterbildes thematisiert und bearbeitet hat, für die Übernahme dieser Aufgabe in Betracht kommt.

 

III.

Die getroffene Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 3 KostO (Gerichtskosten), 131 Abs. 5 KostO (Auslagen) und § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG (außergerichtliche Kosten). Im vorliegenden Fall entspricht es der Billigkeit, von einer Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten abzusehen.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus §~ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.


Dr. Lange                 Winkgens-Reinhardt           Dr. Knaup
Vors. Richter am OLG      Richterin am OLG             Richter am OLG




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